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William Christenberry (1936–2016)
Thematisch entstammen die Werke von William Christenberry dem Süden Amerikas, wo er 1936 in Tuscaloosa, Alabama, geboren wurde. Die eigene Biographie und die seines Heimatstaates, in den er zu jährlichen Arbeitsreisen seit Jahrzehnten zurückkehrt, ist die immerwährende Inspirationsquelle seiner Kunst. Methodisch konsequent und mit typologischem Anspruch geht der Künstler Fragen der Identität und des Symbolgehaltes kultureller Ausformungen nach. Von der kulturhistorischen Geschichte und dem sozialökonomischen Wandel der Region zeugen insbesondere seine Photographien, in denen bestimmte Orte und Gebäude über Jahrzehnte hinweg in ihrer zeitlichen Veränderung festgehalten werden.
Ausgangspunkt von Christenberrys künstlerischem Werdegang war die Malerei, auf die er sich während seiner Studienzeit an der University of Alabama in Tuscaloosa (1954-59) ausschließlich konzentrierte. In dieser Zeit setzte er sich zunächst mit der gestischen Formensprache des Abstrakten Expressionismus auseinander. Zeitgleich entstanden erste Photographien. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich hierbei um Farbaufnahmen, die er mit einer einfachen Kleinbildkamera (der so genannten Brownie) realisierte. Diese frühen Photographien, die noch im Drugstore entwickelt wurden, dienten als Referenz für seine Gemälde und ermöglichten es ihm, der subjektiven Geste des malerischen Ausdrucks eine Art Korrelativ entgegenzusetzen. Beeinflusst durch die sich seit den sechziger Jahren formulierende Pop Art verließ Christenberry das Feld der reinen Malerei und begann, Assemblagen und Materialcollagen herzustellen. Ganz in der Tradition des Südens entstanden zahlreiche Objekte unter Rückgriff auf einfachste Mittel und minderwertige, zum Teil auch gefundene Materialien. Während der ganzen Zeit blieb die Photographie ein konstanter Bezugspunkt und gewann spätestens seit Mitte der siebziger Jahre an künstlerischer Eigenständigkeit.
Die traditionellen Häuser des Südens wurden zu Christenberrys bevorzugten photographischen Motiven, denen er sich immer wieder in Serien zuwandte. Einige dieser Serien werden bis heute fortgeführt, manches Mal sogar über das Verschwinden des Gebäudes hinaus. Dann wird der Ort, an dem es sich befand, zum Gegenstand der Bilder. In seinen Aufnahmen spiegelt sich die konzentrierte Einfachheit des ländlichen Milieus, dessen Schönheit und individuelle Ausdrucksformen Christenberry in wiederkehrenden Themengruppen beschreibt.
Mehrere Sujets ziehen sich wie ein roter Faden durch sein photographisches Werk: Neben den Häusern oder ganz allgemein den Dingen in der Landschaft sind es die Graves, Aufnahmen von traditionellen, ländlichen Gräbern, die oftmals mit den einfachsten Mitteln und persönlichen Zugaben dekoriert werden. Ein weiteres Sujet sind Kirchen, häufig einfach gebaute Holzkirchen, die schon die frühen Aufnahmen von Walker Evans charakterisieren, und Detailaufnahmen von Fenstern und Türen, die wiederum mit der letzten Themengruppe, den gefundenen Zeichen und Werbeschildern, in Zusammenhang stehen. Schließlich findet das Thema der Landschaft generell, wobei die rote Erde, die für den von Christenberry bevorzugten Landstrich typisch ist, eine vielfältige Entsprechung in seinem Werk.
Im Bestand der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur befinden sich mehrere photographische Serien (Underground Club, Coleman’s Café, Palmist Building) von William Christenberry sowie eine Auswahl von emblematischen Einzelbildern.
Biographie
1936 geboren in Tuscaloosa, Alabama
1954–1959 Studium an der University of Tuscaloosa, Alabama
1958–1959 erste Photographien mit der Brownie-Kamera
1959-1961 unterrichtet Zeichnen an der University of Alabama, Tuscaloosa
1961–1963 lebt in New York City. Erste Begegnung mit Walker Evans, dem er in enger
Freundschaft bis zu dessen Tod 1975 verbunden bleibt
1962 Assistant Professor of Art an der Memphis State University. Beginn der
Freundschaft mit William Eggleston.
1964 Wiliam Christenberry verlagert den Schwerpunkt seiner Arbeit von der
Malerei auf die Skulptur und die Photographie.
seit 1968 Professor für Zeichnung und Malerei an am Corcoran College of Art and
Design, Washington D.C. Beginn seiner jährlichen Arbeitsreisen nach
Alabama.
1973 gemeinsame Reise mit Walker Evans nach Hale County, Alabama,
1977 beginnt auf Anraten seines Freundes Lee Friedlander mit einer Deardorff-
Großbildkamera zu photographieren
1979-1980 In seinem Atelier wird eingebrochen und der größte Teil seiner Arbeiten
des Klan-Rooms werden gestohlen.
1985 Beginn der Zusammenarbeit mit der Galerie Pace/MacGill, New York
1989 William Christenberry erhält den Alabama Prize
1991/1993 Ist als Gastkünstler an die Yale University eingeladen
1998 Die University of Alabama verleiht ihm die Ehrendoktorwürde
2016 in Washington D.C. gestorben
Zahlreiche Einzelausstellungen, unter anderem in der Corcoran Gallery of Art, Washington, D.C. (1973), Henri Gallery, Washington, D.C. (1974), Montgomery Museum of Fine Arts (1979), Pace/MacGill Gallery, New York (1985), The Columbus Museum Georgia (1987), Montgomery Museum of Fine Arts, Montgomery (2005), Columbus Museum of Art (2009), Fundacion Mapfre, Madrid (2013)
Im Jahr 2002 fand in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur die erste Einzelausstellung von William Christenberry in Deutschland statt, mit einer weiteren europäischen Station im Palais des Beaux-Arts in Brüssel.
Literatur
William Christenberry: Southern Photographs, New York: Aperture, 1983; William Christenberry, Hrsg. Montgomery Museum of Fine Arts, Text Laura Lieberman, Montgomery, Alabama 1989; William Christenberry, The Albrecht Kemper Museum of Art, Text J. Richard Gruber, Saint Joseph, Missouri, 1994; Christenberry. Reconstruction: The Art of William Christenberry, Hrsg. Center for Creative Photography, The University of Arizona, Texte Trudy Wilner Stack, Allen Tullos, Jackson: University Press of Mississippi, 1996; William Christenberry: Art & Family, Hrsg. The Odgen Museum of Southern Art, University of New Orleans, Text J. Richard Gruber, New Orleans: University of New Orleans Publishing, 2000; William Christenberry, Hrsg. Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Düsseldorf: Richter Verlag, 2001; William Christenberry. Working from Memory. Collected Stories, Hrsg. Susanne Lange, Göttingen: Steidl, 2008; William Christenberry, Madrid: Fundación Mapfre, 2013.